GOLD für Michael Jung – Bronze für Sandra Auffarth – Vielseitigkeit Olympia 2012 in London
Michael Jung gewinnt Gold in der Einzelwertung
Schon vor etwa einem halben Jahr haben wir hier philosophiert, dass Michi Jung an seinem 30. Geburtstag das Wunder vollbringen könnte, Olympiasieger zu werden. Dass er das vollbracht hat, das war schon nach dem Gewinn von Mannschafts-Gold klar. Aber auch im Einzel lag er ja auf dem zweiten Platz. Eine phänomenale Aufholjagd hatte er da schon hinter sich. Während viele andere schwächelten, schien unser Michael Jung – der ja bereits in Kentucky 2010 WM Gold und in Luhmühlen 2011 EM Gold gewann – nur noch stärker zu werden. Die Dressur war dieses Mal nicht ganz brillant gelungen, viele schrieben schon von einem kleinen Favoritensturz – doch warum eigentlich Jung war auch zu diesem Zeitpunkt in absoluter Tuchfühlung zur Spitze. Nach einer tadel- und fehlerlosen Runde im Gelände dann heute die Nullrunde im ersten Umlauf des Springens, mit dem er Mannschafts-Gold für Deutschland sicherte. Und dann kam die Einzelentscheidung…
- Querelen um Ingrid Klimke
- Sandra Auffarth mit einer perfekten Nullrunde im Springen
- Michael Jung setzt sich an die Spitze
- Goldmedaille für Michael Jung – Olympiasieger 2012
Querelen um Ingrid Klimke
Zunächst war sie von einigen Querelen überschattet: Ingrid Klimke wusste, dass sie nicht mehr ganz nach vorne kommen würde im Einzel und zum zweiten Umlauf nicht mehr antreten. Sie wollte auch ihrem Pferd ersparen noch einmal zu gehen – als brillanter Springer ist Braxxi schließlich nicht bekannt. Und doch hatte er sich so gut gezeigt, nur zwei Abwürfe im Umlauf gehabt, was für ihn wenig ist.
Ingrid zog also zurück – und hoffte, dass Dirk Schrade dadurch ihren dritten Startplatz für das deutsche Team einnehmen könnte. Doch diese faire Geste, dass Ingrid Dirk die Möglichkeit geben wollte, noch vielleicht weit nach vorne zu kommen, lag außerhalb des olympischen Reglements. Schade, denn gerade solche Fairness wird ja eigentlich vom olympischen Konzept gepredigt.
Also waren nur noch Sandra Auffarth und Michi Jung dabei in der Entscheidung um Gold, Silber und Bronze – aber beide mit den wirklich allerbesten Chancen!
Sandra Auffarth mit einer perfekten Nullrunde im Springen
Sandra Auffarth musste als bislang Fünfte vorlegen – und ich habe es ja vorhin schon mal geschrieben – wenn Wolle etwas noch besser kann als Dressur und Gelände, dann ist es Springen. Er würde ja glatt als Springpferd durchgehen mit seinem Stil. Da sieht man wirklich, dass er als Selle Francais einer der besten Springpferde-Rassen überhaupt angehört. Wie leicht es aussah, als Sandra und Wolle durch den entscheidenden Parcours gingen, das war absolut faszinierend. Was muss das Mädel doch für einen Druck gehabt haben! Aber irgendwie kann sie das wegstecken und obwohl das ihr erstes Event von Weltformat war, absolut ruhig und überzeugend reiten. Nie gab es auch nur annähernd die Gefahr, dass Wolle eine Stange berühren würde – es war einfach eine perfekte Nullrunde, die diese beiden uns da präsentierten!
Jetzt konnte Sandra nur noch abwarten, was die beiden Britinnen vor ihr machen. Und das war der Moment, wo doch zum allerersten Mal bei ihr doch Anspannung und Emotionen zu bemerken waren. Denn nun stand sie da ganz klein bei ihrem Pferd und konnte nicht hingucken, was passierte. Dabei hätte sie genau dies mal machen sollen, denn Mary King und Kristina Cook patzten beide zwei Mal – aus der Medaillentraum für die beiden! Aber Sandra Auffarth hatte es geschafft – Bronze sicher! Unglaublich! Man denke zurück, dass die erst 25-jährige noch vor kurzem bei den Jungen Reitern, dann in der Perspektivgruppe unterwegs war – und nun: Olympia-Bronze. Auch wenn man ihr das nach ihrem coolen EM-Silber von 2011 zugetraut hätte – erwartet hatte es dann doch keiner. Was für ein tolles junges Mädel für unsere Mannschaft – mit Sandra kann man sich einfach nur mitfreuen! Auch, als ihr heute im Interview dann doch die Emotionen ein wenig entglitten und ein paar Tränchen am Horizont zu erscheinen schienen.
Michael Jung setzt sich an die Spitze
Und dann kam er, der Top-Favorit im Vorfeld: Michi Jung. Er muss einen enormen Druck gehabt haben – doch hier zeigte sich der absolute Kämpfer, der er ist und sein Pferd Sam ebenso! Die beiden blieben Null, setzten sich an die Spitze – und die Freude brach aus Michi heraus. Ich glaube, in diesem Moment ist ihm zum ersten Mal so richtig bewusst geworden, was er geschafft hat. Silber hatte er sicher, Sandra Bronze. Aber eine fehlte noch, die Ehefrau von Frank Ostholt, Sarah Algotsson-Ostholt. Ihre Stute Wega ist als brillante Springerin bekannt, aber man hatte auch im Hinterkopf, dass sie in Luhmühlen 2011 – ebenfalls den Sieg vor Augen – einmal völlig den Dienst verweigerte. Heute jedoch sprang die Stute sehr souverän, willig und gut. Hätte man die Klasse der Pferde Opgun Louvo, Sam und Wega einordnen müssen, dann würde ich Opgun Louvo vor Wega vor Sam einordnen, wobei Letzterer wohl der größte Kämpfer ist, den man sich vorstellen kann und auch Hindernisse bewältigt, bei denen es nicht optimal passt.
Wega sprang super bis zur letzten Kombination – dem herrlichen Stonehenge, eines der schönsten Hindernisse, schon da musste die Reiterin mit der Stimme nachhelfen, es klapperte, aber alles blieb liegen. Man dachte fast, dies könnte auch am letzten Hindernis so sein, das sie berührte, das wackelte – das fiel!
Goldmedaille für Michael Jung – Olympiasieger 2012
Und in diesem Moment jubelte wohl ganz Reiter-Deutschland, denn es war klar: Doppel-Gold für Michi Jung – das schönste Geburtstagsgeschenk zum 30., das man sich nur wünschen kann! Grandiose Leistung – Weltmeister, Europameister, Olympiasieger, das alles zusammen war noch keiner!
Was bleibt also von der Vielseitigkeit? Es war der totale Triumph – den ich so nicht erwartet, aber doch gewünscht hatte. Dass Michi alles schaffen kann, war klar – und auch von Sandra hatte man einiges erwartet, wusste aber noch nicht, wie man dieses junge Spitzentalent einordnen soll. Jetzt ist es klar!
Erinnern Sie sich noch an das „geklaute“ Gold von Athen 2004, als die Deutschen die Medaille wieder verloren? Was seitdem mit Deutschlands Vielseitigkeit passierte, ist phänomenal. Es war ein Aufstieg fast über die absolute Weltspitze – oder das, was diese zuvor war, hinaus – um das Wort Weltspitze neu zu definieren. Doppelgold hatte es schon in China vor vier Jahren gegeben dank Hinrich Romeike und Marius. Jetzt wieder und Bronze obendrauf! Der Wahnsinn der „Gold-Buschis“ – und hoffentlich Ansporn für unsere anderen Reiter-Teams es ihnen nachzumachen!
Vielleicht ist übrigens bei mir in meiner Begeisterung das ein oder andere Pferdchen in meinen Formulierungen mit mir durchgegangen – aber sind wir nicht gerade alle euphorisch und voller Freude über dieses Ergebnis, das besser einfach nicht mehr sein kann?!
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