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Reiten 2012 – Jahresrückblick erster Teil

Allgemein 29. Dezember 2012

 
Reiten das Jahr 2012

Das Reiterjahr 2012 – ein Rückblick | Januar bis Juni

Ein Jahr mit Höhen und Tiefen für den deutschen Reitsport geht zu Ende. Zeit, kurz einige Momente Revue passieren zu lassen, uns an unvergessene Helden zu erinnern und den Blick hin zu neuen Stars zu richten… Denn eines hat 2012 bewiesen: Die deutschen Reiter – egal ob auf dem Zenit ihrer Karriere oder auf der Suche nach der perfekten Form zum richtigen Zeitpunkt – vergessen nicht, ihren Blick auf die Zukunft zu werfen…

 




 

Januar 2012

Eine traurige Meldung kam aus dem nordrhein-westfälischen Landgestüt, als das Reiter-Jahr gerade einmal zwei Tage alt war: Der westfälische Stempelhengst Florestan I musste im Alter von 26 Jahren eingeschläfert werden. Die Pferde wie Fürst Khevenhüller, der aktuell mit Helen Langehanenberg seine ersten Hufspuren unter den ganz Großen hinterlässt, oder Fabriano unter der Österreicherin Renate Vogelsang werden ihm eine noch lange währende Erinnerung an ihn bescheren…

Christian Ahlmann

Christian Ahlmann– © Andreas Geckert

Christian Ahlmann und Marco Kutscher waren zu Beginn des Jahres in Top-Früh-Form! Olympia kann für die beiden Reiter kommen, dachte man. Ahlmann siegte mit Taloubet beim Weltcup Springen in Leipzig (wo er 2011 den Gesamtweltcup gewonnen hatte), Marco Kutscher begeisterte auf seinem herrlichen Schimmel Cornet Obolensky beim Weltcup in Zürich. So gut waren diese beiden Hengste noch nie! Auch Lokalmatador Steve Guerdat machte auf sich aufmerksam – und überlegte, ob eher Nino oder Nasa die passende Wahl für die Olympischen Spiele wäre… Seine Wahl fiel auf Nino und sollte, wie sich später herausstellte, goldrichtig im wahrsten Sinne des Wortes sein…

Februar 2012

Wir Freizeitreiter begeisterten uns währenddessen auch für „Gefährten“, den bewegenden Film von Steven Spielberg mit einem Pferd in der Hauptrolle, der im Februar unsere Kinos stürmte…

Langehanenberg Helen

Helen Langehanenberg

In Neumünster zeigten sich Helen Langehanenberg und Damon Hill so gut wie noch nie. Man konnte für Olympia hoffen – das tat auch Bundestrainer Holger Schmezer, der im März seinen 65. Geburtstag feierte und bekannt gab, dass er nach Olympia nicht mehr Bundestrainer sein wollte – neue Aufgaben würden warten. Anlass zu großen Hoffnungen gab auch das Paar Chacco Blue und Andreas Kreuzer, die Sieger im Großen Preis von Neumünster. Doch manche Hoffnungen und Träume im Reitsport sollten in diesem Jahr jäh von der Realität eingeholt werden.

März 2012

Während sich auch Marcus Ehning früh fürs Olympiateam empfahl mit einem Sieg im Großen Preis von Göteborg, weilte Meredith Michaels-Beerbaum, Deutschlands beste Reiterin, noch unter der warmen Sonne Floridas. Hier wollte sie sich – nach der Verabschiedung von Shutterfly – gezielt mit ihrer jungen Stute Bella Donna (sowie anderen Pferden) auf die Saison vorbereiten. Hierzulande wurden die großen Erfolge der nur neunjährigen Stute zu diesem Zeitpunkt nur wenig beachtet.

Kristina Sprehe

Kristina Sprehe – Toffi-images.de

Kaum einer hätte es für möglich gehalten: Doch beim Finale der Meggle Champions konnte sich die erst 25-jährige Kristina Sprehe mit ihrem großartigen, aber noch unerfahrenen Rapphengst Desperados an die Spitze setzen – und das prestigeträchtige Turnier vor Europameisterin Laura Bechtolsheimer gewinnen, einer der Favoritinnen für die Spiele in London. Von einem Tag auf den anderen hatte sich nun aber auch Kristina für Olympia empfohlen.

April 2012

Im April erfreuten wir uns an den ersten warmen Tagen – auch die „Buschis“ konnten nun in ihre Saison starten… Einer tat dies wie kein anderer: Michael Jung in Fontainebleau mit einem Doppelsieg auf Sam und Leopin. Würde an ihm in London ein Weg vorbeiführen?

Seinen traurigsten Tag erlebte das Reitsport-Jahr 2012 im April… Eigentlich war man voller Vorfreude zum Weltcup-Finale in S´Hertogenbosch nach Holland gefahren. Gerade die Dressurreiter fühlten sich stark wie lange nicht. Doch ihr allseits beliebter und geschätzter Bundestrainer Holger Schmezer verstarb im Hotelzimmer an einem Herzinfarkt. Mit Trauerflor ritt Helen Langehanenberg zum zweiten Platz im Weltcup hinter einer Top-Favoritin für die Olympischen Spiele, Adelinde Cornelissen auf Parzival. Sie hatte für den Bundestrainer diese Leistung zeigen wollen – und diese Maxime behielten die Dressurreiter auch das ganze Jahr über bei. Für Holger wollten sie bei Olympia nicht nur ihr Bestes geben, sondern mehr als das.

Weishaupt Philipp

Philipp Weishaupt – © Alexandra Koch

Auch die Springreiter standen unter Schock. Die Leistungen von Beerbaum, Kutscher, Ahlmann und Ehning waren bei diesem Turnier indiskutabel. Nur der Jüngste, Philipp Weishaupt, zeigte, was in ihm und seinem Hengst Monte Bellini steckt – Platz vier in der Gesamtwertung und er war im Gespräch für Olympia 2012. Rich Fellers aus den USA sicherte sich den Sieg mit seinem Hengst Flexible. Steve Guerdat sattelte Nino und überzeugte einmal mehr als Zweiter.

In Deutschland begann derweil die Freilandsaison mit Horses and Dreams in Hagen. Hier trumpfte eine Dame auf, über die bereits ehrfurchterweckende Nachrichten über den Ärmelkanal geschwappt waren. Charlotte Dujardin und ihr Valegro sollten eine derart gereifte Vorstellung (im Vergleich zu der unerfahrenen Glanzleistung bei der EM im Vorjahr) zeigen, dass sie bei Olympia 2012 unschlagbar wären. In Hagen waren sie es und gewannen haushoch Grand Prix und Special. Da jubelte das Partnerland Großbritannien beim Turnier.

Was machte aber eigentlich Wunderhengst Totilas ? Noch hatte man zu diesem Zeitpunkt nichts von unserem teuer erkauften, deutschen Olympia-As im Ärmel gehört. In Hagen aber zeigte er sich und gewann Grand Prix und Kür – nicht überragend, aber solide, vor Laura Bechtolsheimer und Kristina Sprehe.

Young-Star Katrin Eckermann, die bei ihrem ersten Auftritt bei den Senioren im Jahr zuvor fast die Riders Tour gewonnen hatte, trumpfte auch in Hagen auf: Sieg im Championat und im Großen Preis mit Chika´s Way und Carlson. Doch auch sie musste in diesem Jahr noch lernen, dass man aufs Siegen nicht abonniert sein kann. Ihr Mut und ihre famosen, immer auf Sieg ausgerichteten Ritte im Stechen begeisterten dennoch fast jeden, der sie reiten sah. Sie gehört nach wie vor zu den größten Hoffnungen für das Springreiten in unserem Land!

Mai 2012

Michael Jung

Michael Jung – TOFFI-IMAGES.de

Im Mai fiel das größte und bekannteste Vielseitigkeitsturnier der Welt in Badminton dem Regen zum Opfer. Auch der Hof von Großbritanniens Olympiahoffnung Carl Hester, bei dem auch Charlotte Dujardin trainiert, stand unter Wasser. Somit konnten weder Großbritanniens Dressurreiter noch viele Vielseitigkeitsreiter weltweit sich optimal auf die Olympischen Spiele vorbereiten.

Ab diesem Monat sorgte auch eine Doping-, bzw. Medikationsaffäre einmal mehr für Schlagzeilen. Khaled al Eid und Abdullah Waleed Sharbatly, seines Zeichens Vizeweltmeister im Einzel, waren mit zwei Substanzen erwischt worden, die nur außerhalb von Wettkämpfen erlaubt sind. Eine Sperre von acht Monaten bedeutete zunächst das olympische Aus. Doch dann würde die Sperre verkürzt. Eine Teilnahme wurde möglich – Saudi Arabien holte in London völlig überraschend Bronze. Natürlich wurden nicht wenige, berechtigte Stimmen laut, welche dieses Vorgehen der FEI kritisierten und nach der Glaubwürdigkeit der Welt-Organisation des Pferdesports fragten. Ein fader Beigeschmack bleibt auch nach den überzeugenden Leistungen von London…

Ulla Salzgeber, eine deutsche Olympia-Hoffnung, verzichtete währenddessen auf ihre Möglichkeiten zur Qualifikation. Sie begründete den Schritt damit, dass sie nicht sicher sagen könne, aufgrund ihrer zahlreichen anderen Verpflichtungen als Trainerin, wirklich so vorbereitet in die Spiele zu gehen, wie dies sein müsste. Später im Jahr gab sie ihrem Pferd Herzruf´s Erbe gar eine lange Auszeit, die er nach wie vor in Ungarn genießt.

Beim Hamburger Derby begeisterte ein Außenseiter: Nisse Lüneburg, 23, aber mit einem erfahrenen Pferd, Calle Cool, ehemals Derbysieger von Carsten-Otto Nagel, im Parcours. Die Nervenstärke für den Sieg hatten ihm die Wenigsten zugetraut. Wir sind gespannt, was man von diesem Mann noch hören wird…

Zwei andere Derby-Helden gingen in diesem Jahr: Nacorde, dreifacher Derbysieger unter Andre Thieme, holte Platz fünf und darf nun 17-jährig seine Rente genießen. Carassina unter Thomas Kleis, Derbysiegerin 2009, wurde in diesem Jahr Neunte und konnte sich später im Jahr, mittlerweile 15-jährig und auf einem Auge blind, über den wohlverdienten Ruhestand freuen.

Juni 2012

Im Juni konnte MMB mit ihrer neunjährigen Bella Donna zum ersten Mal so richtig in Deutschland begeistern. Zweite wurden die beiden in der Global Champions Tour von Wiesbaden – und die Fachwelt horchte Richtung Olympia auf. Doch den Leistungen des Paares in den kommenden Wochen fehlte öfters die Konstanz. So befanden sie sich etwa auf Platz 6 oder 7 der Liste, von welcher Vier ausgewählt würden.

Bei den Deutschen Meisterschaften in Balve begeisterte Marc Bettinger. Erstmals fand das Turnier ohne Graf Landsberg Velen statt, der wenige Wochen zuvor verstorben war. Ein weiterer Trauerfall der Reiterwelt… ebenso wie Stefan Krawczyk, Opernsänger und Sprecher bei zahllosen Reitsport-Events, seine Stimme verstummte kurz nach dem Mannheimer Maimarkt Turnier. Große Trauer einmal mehr unter Reitern und Pferdefans.

Janne Friederike Meyer

Janne Friederike Meyer

Bettinger hingegen siegte mit der fantastischen Stute Oh D´Eole, die er jedoch wenig später an einen Franzosen abgeben musste – der größte Erfolg seiner Karriere! Zweite wurde bei der offenen DM Janne-Friederike Meyer, die auch bei den Amazonen siegte. Sie hatte Cellagon Lambrasco gesattelt und zeigte, dass sie zum engsten Kreis der Olympia-Nominierten zählen sollte. Ludger Beerbaums Gotha dagegen stürzte – ein Schock, von dem sich die Stute so schnell nicht erholen sollte, wie sich beim CHIO in Aachen zeigte. Nach indiskutablen Leistungen wollte Beerbaum seiner Stute mehr Zeit geben und zog sie von der Olympia-Longlist zurück.

Bei den Dressurreitern siegte Helen Langehanenberg, doch auch Matthias Alexander Rath mit Totilas, das sicherlich meistbeobachtete deutsche Paar, zeigte sich in Form – Olympia kann kommen, so dachte man. Im Pech dagegen Isabell Werth: Don Johnson lahmte und El Santo zeigte sich alles andere als mit Championsqualitäten – eine weitere Olympiaaspirantin meldete sich ab.

Einen besonders traurigen Pferde-Tod gab es einige Tage nach der Deutschen Meisterschaft zu melden: Chacco-Blue verstarb an Borreliose. Der Hengst hatte sich wenige Tage zuvor bei den Meisterschaften mit Reiter Andreas Kreuzer nicht in Top-Form gezeigt und kollabierte in der folgenden Woche. Damit trat ein Top-Vererber und der erklärte Liebling eines sichtlich geschockten Besitzers Paul Schockemöhle von der Bühne ab.

Kurz darauf eine weitere erschreckende Meldung: Matthias Rath liegt krank im Bett mit Pfeifferschem Drüsenfieber – absolute Schonung. Man möchte das Paar Rath/Totilas noch nicht für Olympia aufgeben, doch während des CHIO in Aachen wurde klar, dass er nicht mehr rechtzeitig fit werden würde. Der Traum Olympia ist für den Reiter – und die Besitzer von Totilas – geplatzt.

Bei den Deutschen Meisterschaften der Vielseitigkeitsreiter in Luhmühlen wurde ein ganz Großer verabschiedet: Marius, der Doppelgold-Held von Hongkong 2008, geht 18-jährig in Ruhestand. Sein Reiter Hinrich Romeike und tausende Zuschauer danken ihm für die schöne Zeit.

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