Marco Kutscher, Philipp Weishaupt und der Stall Beerbaum bei Olympia
Es war fast ein kleines Drama, als am Dienstag die Stute Gotha im Eröffnungsspringen des CHIO Aachen mit 15 Strafpunkten aus dem Parcours kam. Einem Parcours wohlgemerkt, in dem gut die Hälfte der 90 Teilnehmer fehlerfrei war oder nur Zeitstrafpunkte aufgrund gemächlichem Trainingstempo zu verzeichnen hatte…
Daraufhin zog Ludger Beerbaum, sechsfacher olympischer Teilnehmer und vierfacher Goldmedaillengewinner, die Konsequenzen: Seine Stute Gotha, 11-jährige Hannoveranerin, ist nicht fit, Beerbaum sagte „Sie zieht nicht und fühlt sich verkrampft an“. Man kann Olympia nicht erzwingen, vor dieser Entscheidung muss man ebenso wie vor dem Rückzug von Carsten-Otto Nagel den Hut ziehen.
Dass der Stall Beerbaum, einer der größten reitsportlichen Betriebe in Deutschland, der schon etliche Talente hervorgebracht und gefördert hat, dennoch bei den Olympischen Spielen in London dabei sein kann, daran bestehen kaum noch Zweifel.
Marco Kutscher und Philipp Weishaupt sind zwei Trumpfkarten wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten – und doch durch viele Gemeinsamkeiten verbunden. Beide sind sie Bereiter von Ludger Beerbaum, beide haben sie durch ihren Chef Möglichkeiten bekommen, die sich die meisten Angestellten nur wünschen können.
Marco Kutscher
Bei Marco Kutscher war dies schon vor mehr als zehn Jahren der Fall. Er kam nach Riesenbeck in den Stall Beerbaum. Zu den Pferden war Kutscher über seine Eltern gekommen, diese begannen zu reiten und der Sohnemann kam mit. Schon bald ritt der 1975 Geborene auch Springen, zunächst auf dem Familienpferd Limone. Über den Stall Heckmann erlangte Marco Kutscher eine fundierte Ausbildung, bekam Pferde zur Verfügung gestellt und zeigte sein Talent unter anderem durch den Erwerb des Goldenen Reitabzeichens. Doch sein Weg hatte damals gerade erst begonnen, denn schnurstracks ging es – wie schon erwähnt – nach Riesenbeck.
Zu lernen gab es viel bei Ludger Beerbaum, doch Kutscher konnte dies auch perfekt umsetzen. So dauerte es nicht lange, bis er den Hengst Montender zur Verfügung gestellt bekam. Mit ihm gelang die Nominierung zu den Olympischen Spielen in Athen, für die er zunächst nur als Ersatz vorgesehen war, doch durch den Ausfall von Marcus Ehning in die Mannschaft rutschte.
Zwei Bronzemedaillen konnte Marco Kutscher sich am Ende umhängen – für die Mannschafts- und Einzelwertung. Ein Jahr später setzte Marco Kutscher noch einen drauf – Doppelgold in San Patrignano bei den Europameisterschaften – die wohl größte Leistung des heute 37-jährigen Reiters.
Wieder hatte er Montender gesattelt, der auch in den nächsten Jahren noch sein zuverlässiger Partner war, wenn er auch immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen wurde. Mittlerweile ist der heute 18-jährige längst aus dem Sport verabschiedet (Aachen 2010) und wird erfolgreich als Deckhengst eingesetzt. Der Abschied von Montender fiel Kutscher vielleicht leichter, weil ein neuer Star an seiner Seite war: Cornet Obolensky, ein Holsteiner-Schimmelhengst, der bereits neunjährig 2008 an den Olympischen Spielen teilnahm. Was dort geschah, kann man heute nicht mehr so genau zurückverfolgen – und der Reiter hat seine neue Chance verdient. In Hongkong wurde Cornet Obolensky ein Aufbaupräparat gespritzt nachdem er von den Prüfungen bereits völlig überfordert war. Auch das Klima nagte am kapitalen Hengst. Zur Katastrophe führte, dass eben dieses Medikament durch diverse Fehler nicht angemeldet wurde. Wer Schuld hatte, ist letztendlich nicht mehr nachzuvollziehen. Verantworten musste sich Marco Kutscher als Reiter, der nicht in die Wertung kam – die deutsche Mannschaft (zu der auch Capsaicin-Fall Christian Ahlmann gehörte, der damit ebenfalls eine verbotene Medikation unternommen hatte) platzte.
2012: Cornet Obolensky ist mit 13 im besten Pferdealter. Er ist gereift und besser denn je. Viele und lange Parcours bereiten ihm nach wie vor ein wenig Probleme, doch er ist nicht mehr das junge, unerfahrene Pferd von vor vier Jahren. Im vergangenen Jahr gehörten Reiter und Pferd zur Gold-Equipe von Madrid – für die Olympischen Spiele hat er die besten Chancen aus dem Beerbaum-Stall.
Philipp Weishaupt
Doch auch Philipp Weishaupt, der Youngster im Team, hat noch nicht aufgegeben. Zwar wurde er nicht für den Aachener Nationenpreis nominiert, doch das muss noch nicht allzu viel heißen. Philipp ist erst 27 Jahre alt, wurde 1985 in Augsburg geboren. Er hat nicht so viel Erfahrung wie die meisten Team-Reiter, doch er ist der Aufsteiger der letzten Jahre. Im elterlichen Reitstall erlernte er das Reiten, auch Bruder Maximilian ist international erfolgreich.
Als Draufgänger wird Philipp von Chef Ludger Beerbaum bezeichnet. Doch im Parcours weiß er durchaus mit kontrollierten Ritten zu überzeugen. Nur abseits der Hindernisse geht es mit der Harley schnell voran oder wird mit Freundin Bliss Heers schon mal wild gefeiert. Seine Abschlussprüfung zum Bereiter bestand Weishaupt mit Auszeichnung, das ursprünglich angedachte Praktikum bei Ludger Beerbaum wurde zur Festanstellung.
Mit der Stute Souvenir wurde Weishaupt 2009 völlig überraschend Deutscher Meister. Seitdem ging es steil bergan. Doch in einer Championatsmannschaft durfte Weishaupt noch nicht reiten. Zwei Mal (in Kentucky 2010 und in Madrid 2011) war er Ersatzreiter. Doch mit Hengst Monte Bellini könnte nun seine große Stunde schlagen. Der ehemalige zweifache Bundeschampion hat noch weitaus größere Fähigkeiten als Souvenir. Er hat eine wahrlich mustergültige Karriere hinter sich, denn selten schafft es ein Bundeschampion wirklich ganz nach oben im Großen Sport. 10 Jahre ist der Westfalenhengst erst alt, dennoch könnte er nun vor seiner größten Aufgabe, den Olympischen Spielen, stehen. Gönnen würde man es dem sympathischen bayerischen Reiter auf jeden Fall!
Wer also wird den Stall Beerbaum bei den Spielen in London vertreten – diese Woche in Aachen wird es noch einmal spannend!
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Gerade wurde es durch die FN bekannt (http://www.pferd-aktuell.de/fn/newsticker/springen-monte-bellini-faellt-fuer-london-aus-) – Monte Bellini, Philipps Pferd leidet an einer fieberhaften Infektion, ein Start sei nicht zu verantworten… Für Philipp ist dies unheimlich traurig – genau an seinem Geburtstag wurde diese Nachricht offiziell. Seine Vorfreude auf seine ersten Olympischen Spiele war riesig, doch der junge Reiter hat noch eine lange Karriere und viele Chancen vor sich.
Philipp Weishaupt steht tatsächlich im Team für die Olympischen Spiele in London mit seinem 10-jährigen Hengst Monte Bellini.
Marco Kutschers Hengst Cornet Obolensky war leider im Nationenpreis von Aachen völlig von der Rolle (15 Punkte inklusive Verweigerung im ersten, 16 Strafpunkte im zweiten Umlauf), dass davon Abstand genommen wurde, das Pferd für die Spiele vorzuschlagen. So kam Marco Kutscher leider nicht einmal mehr als Reservereiter infrage.