Hannelore Brenner im Interview – Deutschlands erfolgreichste Para-Dressurreiterin
Interview mit Hannelore Brenner, Deutschlands erfolgreichster Para-Dressurreiterin aller Zeiten
Hannelore Brenner und ihre Stute Women of the World sind neben Michael Jung und Sam sicherlich die momentan erfolgreichste Reiter-Pferd-Kombination in Deutschland. Dennoch muss dieses Paar mit deutlich weniger Aufmerksamkeit auskommen als manch anderer Reitsportler. Grund: Die beiden starten in der Para-Dressur. Hannelore Brenner ist seit einem Reitunfall vor fast 30 Jahren inkomplett querschnittsgelähmt.
Seit sie in der Para-Dressur begann, reiht sich bei Hannelore Brenner Erfolg an Erfolg. Ein neuer Höhepunkt waren jedoch sicherlich die Paralympischen Spiele in London, wo Hannelore Brenner mit zwei Gold- und einer Silbermedaille nach Hause fahren durfte. Mit diesem Erfolg konnte sich sogar unseren „Gold-Michi“ noch übertrumpfen.
Wie sie all die großen Momente des Jahres 2012 erlebt hat und was ihre Stute zum erfolgreichsten Para-Pferd aller Zeiten macht, erzählte die Reiterin uns im Interview.
Das Interview
London 2012 – was ist Ihre schönste Erinnerung an die Paralympics?
Hannelore Brenner: Meine schönste Erinnerung an London ist ganz klar mein Ritt in der Freestyle-Prüfung, sprich: der Kür mit Musik. Es war die letzte Prüfung für mich und auch für das gesamte deutsche Team. Irgendwie war die gesamte Spannung weg und ich konnte endlich verwirklichen, was ich mir so fest vorgenommen hatte. Ich konnte das Einreiten in das Stadion, die Stimmung, die vielen Zuschauer und vor allem mein Pferd in vollen Zügen genießen und die Freude empfinden, die ich mir so gewünscht hatte. Schon bei den Olympischen Spielen konnte ich das Strahlen unserer deutschen Reiterinnen sehen und nahm mir fest vor, diese Paralympics ähnlich zu genießen. Bei der Kür gelang mir das dann endlich und es war ein unbeschreibliches Gefühl!
Zwei Mal Gold gab es mit Women oft he World, damit wiederholten Sie den doppelten Triumph von Hongkong. Hatten Sie damit gerechnet, dass dies noch einmal möglich sein würde? Wie haben Sie Ihre Ritte erlebt?
Hannelore Brenner: Nein, ich hätte damals ganz sicher nicht damit gerechnet, den Erfolg von Hongkong wiederholen zu können. In Hongkong kam ich mir vor wie auf einem anderen Stern. Über allen Emotionen lag die Dankbarkeit an mein Pferd, dass sie mich, obwohl sie total aufgeregt war, in der Kür nicht im Stich gelassen hat, sondern alles gegeben hat, sich zusammenzureißen. Wer sie kennt, weiß, dass ihr das manchmal nicht ganz leicht fällt…
Nach Hongkong kamen 4 Jahre, die Dorte, meine Trainerin, und ich nicht ungenutzt ließen. Wir trainierten sehr viel und wir bauten Ollie, wie wir unseren Star im Stall nennen, immer weiter auf. Will heißen, Dorte hat Ollie, wenn sie sie ritt, immer wieder locker und durchlässig gemacht und ich lernte unter ihrer Anleitung jedes Jahr ein bisschen mehr, wie ich sichere Hilfen gebe und dabei nicht das Gefühl für das Pferd verliere. So konnten wir uns jedes Jahr ein wenig steigern und in den 4 Jahren bei Europa- und Weltmeisterschaften 5 Einzelgold- und eine Einzelsilbermedaille holen und zudem 2 Teamsilber- und eine Teambronzemedaille. Zudem haben wir unseren ersten S-Sieg gegen “normale” Konkurrenz geholt und etliche Platzierungen in M und S.
Somit war diese Dominanz, die meine Stute zusammen mit Dorte und mir in London gezeigt hat, das Resultat ganz konsequenter und vernünftiger Arbeit in den Jahren zuvor. Und ich hatte, anders als in Hongkong, eine große Sicherheit, was das “Beherrschen” meines Pferdes betraf. Ich konnte sie auch in kritischen Situationen beruhigen und sie weiter reiten, was wiederum ihr viel Sicherheit gab. Schon die erste Prüfung war ein Zeugnis hiervon. Mein Blackout während der Pflicht hatte andere Gründe. Erstens war ich die letzte Reiterin vom deutschen Team und von mir hing die Teamsilbermedaille ab und zweitens musste ich, bevor ich ins Viereck durfte, ziemlich lange warten und außen rum reiten, bis die Richter sich über meinen “Vorreiter” ausdiskutiert hatten. Das war dann wohl insgesamt zu viel. Aber man kann an der Note, die immer noch 2% über dem Ergebnis der Silbermedaillengewinnerin sehen, dass meine Stute phantastisch gegangen ist. Immerhin bekamen wir einen Abzug von 30 Punkten.
Wenn Sie Ihre Stute Women of the World in wenigen Worten beschreiben müssten – was macht ihren Charakter und ihr Wesen aus?
Hannelore Brenner: Dieses Pferd ist etwas ganz besonderes. Schon als ich sie im Verkaufsstall vor 7 Jahren sah, ging von ihr etwas aus, was mich sofort berührte. Sie ist äußerst sensibel und hat eine Fähigkeit, sich auszudrücken, wie ich es noch nie erlebt habe. Man kann in ihrem Gesicht geradezu lesen und unter dem Sattel ist sie ein Pferd, das alles gibt, wenn man sie versteht. Sie mag überhaupt keinen Druck und hatte deshalb bevor sie zu uns kam auch nur mäßige Erfolge. Sie spürt den kleinsten Impuls vom Reiter und sie will immer arbeiten. Ich denke, dass ich die Ritte in London auch deshalb so genossen habe, weil Ollie mir immer das Gefühl gab: “Ja! – Jetzt geht´s los!”
Wie haben Sie die Atmosphäre bei den Paralympics in London erlebt? Wie würden Sie diese Spiele im Vergleich zu den anderen, die Sie erlebt haben, beschreiben?
Hannelore Brenner: London ist mit einem Wort zu beschreiben: Genial!
Ich selbst hatte schon hohe Erwartungen, weil die Briten eine Reiternation sind und das Reiten somit auch einen sehr hohen Stellenwert bei den Spielen haben würde.
Aber es war alles einfach nur perfekt! Für die Pferde, für das Training, für die “grooms”, also unsere Begleitungen für die Pferde, und letztlich auch während der Prüfungen in diesem unbeschreiblich schönen Stadion vor dem Queens House. Die Stimmung war gigantisch! Bis zu 15.000 Menschen wollten uns sehen und waren begeistert. Und trotzdem waren die Zuschauer total sensibel. Sie haben sofort aufgehört zu klatschen, wenn die Pferde sich aufregten und winkten stattdessen. Was für ein Bild für uns Reiter!
Ich fand bisher alle Paralympics, die ich miterleben durfte, ganz besonders und alle hatten etwas, an das man sich besonders gern erinnert. Allerdings gab es noch nie diese Begeisterung im Reitstadion wie in London. Und ich glaube auch nicht, dass es die nochmal so gibt.
Was war für Sie das schönste Erlebnis, außerhalb Ihrer eigenen Wettbewerbe, bei den Paralympics?
Hannelore Brenner: Ich fand die ganze Zeit in London genial. An jedem Tag haben wir etwas besonders unternommen und erlebt. Die Eröffnungsfeier war natürlich das beeindruckendste Erlebnis, weil sie, wie ich glaube, der Eröffnungsfeier von den Olympischen Spielen in nichts nachstand.
Ihre Trainerin und Lebenspartnerin Dorte Christensen war auch in London stets an Ihrer Seite – war es besonders schön, diesen Triumph, die Goldmedaillen dort, gemeinsam zu erleben?
Hannelore Brenner: Natürlich war es etwas ganz besonderes, diese Triumphe und Erlebnisse an der Seite des Menschen zu erleben, der mir am nächsten steht und der wichtigste Mensch in meinem Leben ist. Ich habe Dorte zudem zu verdanken, dass ich mit dieser Sicherheit in London auftreten konnte und letztendlich ein wunderbares Pferd in Topform präsentieren konnte. Sie hat mir in den letzten Jahren nichts abverlangt, was ich zu dem Zeitpunkt nicht konnte. Sie hat einfach alles reifen lassen und mich dabei unterstützt. Und deshalb sind diese Erfolge auch alle unsere gemeinsamen Erfolge.
Wie haben Sie die Paralympics im Spiegel der Öffentlichkeit in London erlebt? Denken Sie, dass hinsichtlich der Berichterstattung ein Schritt nach vorne gemacht wurde? Gibt es noch Kritik Ihrerseits?
Hannelore Brenner: Die Übertragungszeiten und auch die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit waren sicher so gut wie noch nie. Es kam auch rüber, dass die Briten unglaublich faire und begeisterte Sportfans sind und im wahrsten Sinne die Welt willkommen geheißen haben. Einzig mit der Übertragung vom Reiten war ich nicht glücklich. Es war weniger als vor 4 Jahren aus Hongkong und vor allem wurden Interviews und wer weiß was gezeigt, aber nicht das Reiten. Mir selbst ist der Sport wichtig, ich möchte zeigen, wie unser Sport aussieht. Und dazu muss man mehr zeigen als dreimal das Verreiten…. Für mich ist nicht die Behinderung im Vordergrund, sondern das Reiten und das würde ich auch gern so wahrnehmen.
Denken Sie, dass die paralympischen Reiter bei diesen Spielen wieder ein Stück mehr in die Öffentlichkeit rücken konnten?
Hannelore Brenner: Natürlich ist jede Übertragung und jede folgende Ehrung gut, um ein Stück mehr Öffentlichkeit zu bekommen. Ich bin zum Beispiel nominiert zur Sportlerwahl, die am 16. Dezember in Baden-Baden der Öffentlichkeit präsentiert wird und darauf bin ich sehr stolz. Solche Events können uns weiterhelfen, wenn wir sie nutzen können.
Was sind nun Ihre Ziele für die Zukunft? Geht Ihr Blick in Richtung Rio?
Hannelore Brenner: Meine Ziele für die Zukunft sind die gleichen wie in der Vergangenheit. Das heißt, dass ich mich mit der „Ollen“ auf die nächste Turniersaison vorbereite und an den Dingen arbeite, die noch nicht so gut sind. Ich kann nur immer vor Jahr zu Jahr planen. Im nächsten Jahr sind die Europameisterschaften in Dänemark zusammen mit Dressur und Springen. Das ist das nächste Ziel. Rio ist noch weit und nur dann ein Ziel, wenn ich dann ein gutes Pferd habe.
Wenn Sie an die nächsten Championate denken – mit welchem Pferd? Gibt es guten Nachwuchs? Wie lange möchten Sie Women, die ja als das beste Para-Dressurpferd der vergangenen Jahre bezeichnet wird, noch einsetzen?
Hannelore Brenner: Ich hoffe, dass Ollie noch lange gut gehen kann und rechne auch weiter mit ihr. Aber wir haben noch einen 7-jährigen Trakehnerwallach, der in ihre Fußstapfen treten soll und hoffentlich auch kann. Er ist noch nicht so weit, hat noch nicht die richtige Einstellung, aber ganz allmählich mit zunehmender Kraft, entwickelt er sich positiv. Mit ihm hat Dorte schon ein paar kleinere Prüfungen erfolgreich absolviert und im nächsten Jahr werde ich dann mal meine Turniererfahrungen mit ihm sammeln. Gut ist er, aber ob es dann alles so läuft, wie wir es uns wünschen? Mal sehen!
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