Angelika Trabert
Dr. Angelika Trabert – von den vielen Höhen und Tiefen des Lebens
Geboren ohne Beine – wir, die wir mit allen Gliedmaßen aufgewachsen sind, könnten uns so ein normales Leben wohl kaum vorstellen. Und doch ist es möglich! Ein Leben ohne große Einschränkungen, durch das Angelika Trabert beruflich erfolgreich und mobil – und obendrein als Olympionikin – geht. Ein Portrait der faszinierenden deutschen Reiterin.
Studiert hat Dr. Angelika Trabert (44) Medizin. Bis heute arbeitet sie als Anästhesistin. Sie erzählt, dass alles bei ihr im Studium etwas länger gedauert hat – schließlich war sie zu diesem Zeitpunkt bereits auf Championaten im Dressursattel unterwegs. Doch bereuen würde sie nichts!
Wie sollte sie auch? Denn muss jemand, der bereits 1996 bei den Paralympics erfolgreich teilnahm (Silber im Einzel und mit der Mannschaft) irgendwas bereuen? Seitdem hat sich die Medaillensammlung schließlich auch vervielfacht. In Sydney war „Geli“ dabei, in Athen und dann in Hongkong, wo sie erneut Silber mit der Mannschaft holte. An Walmoral und Londria, den Pferden, die sie in Athen und Hongkong ritt, hängt Angelika bis heute. Natürlich leben die beiden Stuten auch ganz in ihrer Nähe und werden immer noch geritten. Doch die Nummer 1 im Stall heißt heute Ariva-Avanti. Siebenjährig gab die Stute ihr sensationelles Championatsdebüt bei den Weltreiterspielen in Kentucky. Es reichte auf Anhieb zu Gold für die beiden! Besser kann ein Einstand im Spitzensport wohl kaum sein! „ Ariva ist eine sehr starke Persönlichkeit. In der Box und zu Artgenossen ist sie nicht gerade freundlich und zuvorkommend. Doch in den letzten zwei Jahren hat sie viel Routine im Turniersport bekommen, was für eine Großveranstaltung wie London große Bedeutung hat. Im Viereck kämpft sie gemeinsam mit dem Reiter und ist immer mehr bei der Sache.“
Sie wird auch zu den Paralympics nach London mitreisen und dort um Gold und um die Medaillen kämpfen – und hat nun neunjährig beste Chancen alles zu erreichen. Es war Angelika vor den Spielen möglich, ihre Anästhesistenstelle um 20 Prozent zu verringern, sodass sie sich mehr auf das Training konzentrieren konnte. Die Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz war hier besonders wichtig. Es fördert als eines der wenigen die Behindertenreiter in besonderem Maße. Sponsoren sind immer rar im Behindertensport in Deutschland. In anderen Ländern wie Großbritannien – den großen Olympia-Favoriten – werden die Reiter viel besser gefördert.
Die Olympischen Spiele werden sicherlich eine unvergessliche Zeit…
ist sich Angelika Trabert sicher. Auch wenn sie es schon oft erlebt hat, jede Spiele waren etwas Besonderes.
Allein die Kulisse im Greenwich Park sieht schon auf den Bildern bombastisch aus. Dieses Mal sind wir mitten drin im paralympischen Geschehen und das auch noch in einem Reiterland, da kann man sich nur drauf freuen!
Angelika Trabert beschreibt die Olympischen Spiele als „eine emotional sehr intensive Zeit, die schön, aber auch anstrengend ist.“
Von Geburt an fehlten Angelika Trabert beide Beine. Im Sattel wird sie mit Gurten fixiert. Das funktioniert bestens und gibt ihr alle Freiheiten. Wie lebt es sich mit einer solchen Behinderung? „Man muss sich auch kleine Fortschritte bewusst machen und den Kampf für das, was einem selbst wichtig ist, NIE aufzugeben. Dabei ist es besonders wichtig und natürlich auch enorm hilfreich wenn man ein Umfeld hat, das einem dabei hilft und unter die Arme greift. Nichts ist meines Erachtens schwieriger als Hilfe anzunehmen, auch das muss gelernt werden…und die Selbstständigkeit dabei NIE außer Acht zu lassen.“ Als Kind hatte „Geli“ zu kämpfen, um ihren Traum vom Reiten zu verwirklichen: „Jeder hatte eine Ausrede, sei es aus versicherungstechnischen Gründen, mangels passendem Pferd oder mangels passendem Reitlehrer. Hatte ich es dann doch dank meiner Sturheit in eine Reitstunde geschafft, so endete sie meist beim ersten Galopp im Sand, da ein „Durchgehen“ dann die Regel war und ich mich nicht halten konnte. So hatte man mir sturem Kind „bewiesen“, dass es eben doch nicht geht…“ Doch sie kämpfte für ihren Traum vom Reiten, ebenso wie für den Traum vom Studium und von der Unabhängigkeit. Die große Liebe fand sie obendrein in einem Pilot von Löschflugzeugen. Doch er stürzte bei einem Einsatz in Südfrankreich 2005 ab und starb – ein großer Schock für Angelika. Nie wird sie diesen besonderen Menschen vergessen, schreibt sie auf ihrer Homepage.
Ihren neuen Freund lernte sie bei einem Hilfseinsatz in Guinea kennen. Dort arbeitete sie für eine Ärzteorganisation. Leider können sich die beiden nach wie vor nicht oft sehen: „Ein Visum für einen Besuch in Deutschland ist schwieriger zu bekommen als eine Audienz beim Papst. Internet ist in Guinea Glückssache, da oft der Strom für Tage ausfällt. Aber wir geben nicht auf und ich versuche ihn telefonisch auf dem Laufenden zu halten.“
Man wünscht den beiden, dass dem privaten Glück bald nicht mehr so viel im Wege steht – und man wünscht Angelika das Beste für ihre fünften Olympischen Spiele!
Die gesamte deutsche Mannschaft der Paralympics (Reiten) stellen wir in Kurzportraits vor.
Mehr von Angelika Trabert
Angelika Trabert startet für Deutschland bei der Europameisterschaft 2013 in Herning, Dänemark.
Fotos: www.rauphoto.de
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Und ganz aktuell: Heute gabs Bronze für Angelika mit Ariva-Avanti!! Eine super Leistung, da die Stute doch sehr nervös war. Silber gabs übrigens für Britta Näpel! Wir sind stolz auf die beiden! Morgen folgt ein ausführlicher Bericht zu den Einzel- und Mannschaftsfinals.