Gold für Deutschland in der Mannschafts-Dressur
Wenige hatten es tatsächlich erwartet, aber die deutsche Dressurnationalmannschaft konnte um kurz vor halb zwei am Donnerstagnachmittag wieder einmal Geschichte schreiben. Seit 2005 hatte es keine deutsche Mannschaft mehr geschafft, Gold bei einem Championat zu gewinnen. Bei den Europameisterschaften waren zunächst zwei Mal die Niederländer vor ihnen, danach hatte Großbritannien die Nase vorn.
Historisches hatte das junge Damenteam also erreicht, das fast an die Zeiten erinnert, da Anfang der 90er Jahre die „Jungen Wilden“ um Nicole Uphoff, Isabell Werth und Monica Theodorescu die Dressurwelt aufmischten und einen neuen, leichteren Reitstil jenseits der alten Rittmeister als Ziel hatten.
Der Reitstil hat sich nicht wesentlich verändert seit jenen Tagen und auch ein paar Gesichter kennt man immer noch: Monica Theodorescu ist nun die erfolgreiche Bundestrainerin, der es gelang, Deutschland wieder international ganz nach oben zu bringen. Isabell Werth hat ihre Rolle als „Oldie“ im Team gerne inne und nutzt sie, um den jungen Damen Tipps aus ihrer über 20 Jahre währenden Karriere auf Top-Niveau zu geben. Für die 26-jährige Kristina Sprehe war es das Schönste an dieser EM im dänischen Herning, endlich einmal mit ihrem Idol Isabell Werth in einem Team zu reiten.
Nun hat Kristina vielleicht ein anderes schönstes Erlebnis in Herning, nämlich den Moment, als sie mit Helen Langehanenberg, Isabell Werth und Fabienne Lütkemeier aufs oberste Treppchen des Siegerpodests steigt. Dabei sah es nach ihren eigenen Ritt ganz und gar nicht so aus…
Rückblick Tag 1: Fabienne Lütkemeier ist die erste deutsche Starterin. Das erst 23-jährige Küken im Team hatte erst Anfang August erfahren, dass sie dabei sein würde, als Anabel Balkenhols Dablino sich verletzte. Zuvor war sie wie im vergangenen Jahr bei den Olympischen Spielen in London als Ersatzreiterin nominiert gewesen. Nun also stand sie als Mannschaftsmitglied plötzlich im Rampenlicht. Die Nervosität war ihr beim gestrigen Start anzumerken, jedoch nur bis zum Einritt ins Viereck und dem wackeligen Halten. Danach spulte ihr 13-jähriger Wallach D´Agostino eine sehr gute Lektion nach der anderen ab. Natürlich fehlte ihnen noch der letzte Ausdruck und Schwung, den so manches Top-Paar später an den Tag legen sollte. In der Piaffe musste Fabienne ein wenig tricksen, bekam aber dennoch die erhofften hohen Noten. Am Ende stand mit 73.237 Prozent ein Ergebnis fest, das zu den besten in der Karriere des Paares gehört – in jedem Fall vor solch einer Kulisse. Bei den Jungen Reitern drei Mal Gold zu gewinnen, ist etwas anderes als im Fußballstadion von Herning eine Europameisterschaft der ganz Großen mitzureiten – und das mit 23. Fabienne Lütkemeier konnte, wenn sie auch später das Streichresultat sein sollte, voll und ganz begeistern!
Das gelang weder dem ersten Briten (der ganz am Ende des Klassements lag), noch der ersten niederländischen Reiterin.
Deutschland on Top hieß es auch nach den Ritten der zweiten Reiter einer jeden Mannschaft, als Isabell Werth zeigte, dass sich ihr Don Johnson durchaus (wenn auch erst seit diesem Jahr) benehmen kann. Brav wie ein Lämmchen war er in der Prüfung (vorher soll es anders gewesen sein), die Isabell allerdings noch nicht mit dem letzten Risiko ritt. Highlight dieses Pferdes ist seine Kür, die zu den schwersten überhaupt gezählt wird. In der Piaffe und den Trabverstärkungen schlichen sich kleine Unsicherheiten ein, beziehungsweise ging der Schwung doch deutlich verloren. Dennoch: 75.213 Prozent!
Holland und Großbritannien dahinter, so konnte man doch gut schlafen gehen… Doch am nächsten Tag sollte es extrem spannend werden.
Tag 2 der Dressur: Für den ersten Paukenschlag war kurz nach 8 Uhr Edward Gal zuständig, der einen Ritt über 81 Prozent mit seinem neuen Top-Pferd Glock´s Undercover zeigte. Ein neuer Totilas ist er zwar (noch) nicht, aber man sieht, was dieser Reiter aus seinen Pferden herausholen kann. Carl Hester für Großbritannien reihte sich knapp vor Isabell Werth ein, hier fehlte immer noch ein herausragendes britisches Resultat. Dieses hatten die Deutschen von Kristina Sprehe erwartet. Doch ihr Desperados wirkte ziemlich geladen. Man bemerkt es schon an seiner ganzen Haltung und dem starken Schnauben. In der ersten Piaffe geht der Takt kurzzeitig verloren, in der zweiten ist es etwas besser. Dann springt jedoch Desperados auch noch im Galopp vor dem Wechselpunkt um. Es sind wahrlich nur Kleinigkeiten, aber von diesem Paar hat man einfach mehr erwartet. Sie sollten Deutschland auf den sicheren Goldkurs bringen. Ein Ergebnis um die 78 Prozent hätte die Schlussreiter der beiden Konkurrenten aus Großbritannien und den Niederlanden gehörig unter Druck gesetzt. Stattdessen sind es 75.061 und man sieht allerorten leicht betröppelte Gesichter.
Charlotte Dujardin nutzt die Gunst der Stunde zum Traumritt des Tages. Man hat selten Dressur so schön und harmonisch gesehen. Das muss man neidlos anerkennen. Charlotte und ihr „Valli“ sind einfach ein Traumpaar – und die Top-Favoriten für den Grand Prix Spezial und die Kür. Man freut sich jeden Moment, dass die beiden offensichtlich zusammenbleiben durften und der hochtalentierte Wallach nicht verkauft wurde. Was dann wohl aus ihm geworden wäre? Wir wissen ja alle, dass auch ein Totilas nur unter Edward Gal so perfekt war…
Mit 85.942 Prozent übernimmt Charlotte unangefochten die Führung. Auch die Olympiazweite Adelinde Cornelissen aus den Niederlanden mit ihrem von Herzproblemen offenbar genesenen Parzival kann bei weitem nicht herankommen. Doch ihr gelingt etwas anderes. Dank Edward Gals Spitzenergebnis kann sie mit ihren 80.851 Prozent den Niederländern die knappe Führung vor Großbritannien sichern. „Wird es nun Gold?“ mögen sie sich gefragt haben.
Die Entscheidung lag allein in der Hand der 31-jährigen Helen Langehanenberg und (und in den Hufen) ihres 13-jährigen Westfalen-Hengstes Damon Hill. 83,8 Prozent hätten zum Sieg gereicht. Aber ein solches Erlebnis erreitet man nun einmal nicht alle Tage (Helen und Dami hatten es nie zuvor erreicht!). Der 22. August 2013 sollte jedoch solch ein historischer Tag sein, als Dami wie ein Weltmeister passagierte, trabte, galoppierte, jede einzelne Lektion nahezu zelebrierte. Kleine Abzüge gab es in den Piaffen, die nun einmal nicht seine Top-Lektion sind. Ansonsten hagelte es Neunen und am Ende standen 84.377 auf der Anzeigetafel. Zweiter Platz in der Einzelwertung, aber was viel wichtiger war: Sieg und Gold für Deutschland bei der Europameisterschaft in Herning! Es folgten Tränen, Umarmungen und das Glück einer ganzen Mannschaft! Man gönnt ihnen jeden großartigen Moment an diesem Tag und bei ihrer Siegesfeier!
Gold für Deutschland in der Dressur – ein toller Europameisterschafts-Moment!
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