Christian Ahlmann – Eine zweite Chance
Rückblick Olympia 2008: Christian Ahlmann wird von der Teilnahme an der Einzelkonkurrenz ausgeschlossen. Capsaicin hat man im Blut seines Pferdes Cöster gefunden – eine Substanz, die gegen Muskelschmerzen und Verspannungen angewendet wird, jedoch auch als Reizstoff zu vermehrter Schmerzempfindlichkeit führen kann.
Schuld war ein Mittel zum Einreiben aus den USA, auf dessen Verpackung man lesen konnte: „will not test positive“… und das Ahlmann leichtfertigt anwendete. Hypersensibilisierung der Beine des Pferdes – wie gemutmaßt wurde – möchte man dem Reiter nicht vorwerfen. Es lohnte sich, ihm bei Pressekonferenzen, bei denen er am Boden zerstört auftauchte, Glauben zu schenken, dass er letztendlich nur den schon länger immer wieder problematischen Rücken seines damals mit 15 Jahren auch nicht mehr jungen Pferdes behandeln wollte. Doch die Sorglosigkeit, mit der er heranging, ist mehr als fragwürdig: Wie konnte er vor solch einem wichtigen Wettkampf sich nicht noch einmal erneut versichern, ob er die Substanz verwenden dürfte?
Solche Fehler sind menschlich, jeder hat eine zweite Chance verdient, heißt es heute aus dem deutschen Springreiterlager. Auch die Offiziellen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, die einst eine besonders harte Strafe forderten und bekamen, stehen heute hinter Ahlmann.
Gebüßt hat er lange genug. Christian Ahlmann wurde nicht zu kurz gesperrt – und ihm drohte sogar, nie mehr bei Olympischen Spielen starten zu dürfen als „überführter Dopingsünder“.
Christian Ahlmann scheint seit den Tagen von Hongkong nachdenklicher und gewissenhafter. Cöster hat er 17-jährig in den wohlverdienten Ruhestand geschickt, den dieser auf den heimatlichen Weiden in Marl genießt. Christian Ahlmann konnte auch dank großzügiger Sponsoren, wie Marion Jauss, die seit Jahrzehnten hinter ihm steht, und Leon Melchior, dem großen Gestütsbesitzer, auf neue Pferde setzen. Auf Melchiors Rösser sicherlich, weil Ahlmann und dessen Tochter Judy-Ann Melchior ein Paar wurden.
Taloubet Z hieß Ahlmanns neues Top-Pferd. Mit dem Zangersheider Hengst ritt er zum Sieg im Weltcup-Finale in Leipzig – sein umjubeltes Comeback. Problem nur des heute 13-jährigen Pferdes: Überbaute Wassergräben mag er gar nicht, verweigert dort schon mal… und die gibt es bei Olympia sicherlich. Deshalb konnte Ahlmann sich freuen, dass er von Karl Brocks den 10-jährigen Codex One, einen Hannoveraner-Hengst, übernehmen konnte. Der Braune ist ein riesiges Talent, blieb im Aachener Nationenpreis zweimal ohne Fehler. Das Olympia-Ticket war sicher!
Und dieses Mal soll alles anders werden, Ahlmann möchte sich rehabilitieren. Denn vor Hongkong 2008 hatte er eigentlich eine Traumkarriere hingelegt. Schon als Kind gab es zuhause einen Traber-Stall, Ahlmann entschied sich jedoch fürs Springen – und erhielt mit 14 Jahren das Goldene Reitabzeichen als jüngster Reiter überhaupt damals. Erfolgreich war er bei den Junioren und Jungen Reitern – doch der Sprung ganz nach vorne kam mit dem Holsteiner Schimmelwallach Cöster. Mit ihm wurde er – damals noch weitgehend unbekannt – 2003 in Donaueschingen Doppel-Europameister. Ein Jahr später gab es Mannschafts-Bronze bei den Olympischen Spielen in Athen (im Grunde wäre es damals Gold gewesen, hätte nicht dieses Mal Ludger Beerbaums Goldfever eine unerlaubte Medikation bekommen). Gold bei der EM in San Patrignano, Bronze bei der WM in Aachen und Silber bei der EM in Mannheim jeweils mit der Mannschaft prägten Ahlmanns und Cösters folgende Jahre.
Dann das große Loch Hongkong 2008, der Fall ins Bodenlose.
Auch wenn einige Tierschützer protestieren – Olympia 2012 muss wie eine Befreiung für Christian Ahlmann sein. Vielleicht wird es ja sein Jahr… nein nicht nur vielleicht, denn es gibt noch Wichtigeres als einen Olympia-Sieg: Nämlich, dass er im August Vater werden wird, denn Judy-Ann erwartet momentan hochschwanger ihr erstes Kind. Und könnte dies eine olympische Medaille je übertreffen?!
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