Ingrid Klimke im Interview
Ingrid Klimke über Olympia 2012
Nach Hongkong 2008 konnte Ingrid Klimke in London ihre zweite Goldmedaille feiern – erneut an ihrer Seite: Abraxxas, der 15-jährige Hannoveraner, der immer wieder kämpferisch mit seiner Reiterin durch dick und dünn geht (wenn auch im Springen die ein oder andere Stange fällt). Abraxxas ist nun mit dem legendären Charisma von Mark Todd das einzige Pferd, das bei zwei Olympischen Spielen Gold in der Vielseitigkeit holte.
Eine einzigartige Karriere des Braunen, aber auch die Geschichte der Tochter des sechsfachen Olympiasiegers Dr. Reiner Klimke ist legendär. London waren bereits ihre vierten Olympischen Spiele nacheinander. Dass das Erlebnis Olympia jedoch immer wieder einzigartig ist, weiß sie uns im Interview zu berichten…
„Olympia – immer wieder Gänsehautfeeling“ – Ingrid Klimke
Ihre zweite Goldmedaille – was ist es für ein Gefühl, in London erneut einen solchen Höhepunkt erreicht zu haben?
Ingrid Klimke: Das ist wirklich so schön, wenn ich jetzt gerade daran zurückdenke bekomme ich immer noch eine Gänsehaut. Ich habe es ja nun schon mehrfach zu Olympischen Spielen geschafft, aber in London war gerade die Nähe zu den anderen Sportlern etwas ganz besonderes. Es war einfach alles toll, wir hatten ein tolles Team, tolle Sportstätten… Auch bei der Eröffnungsfeier dabei zu sein war grandios. Das hatte ich ja schon mal in Sydney Spielen erlebt. Dort war ich natürlich unheimlich aufgeregt und habe ständig dieses Kribbeln verspürt, es war ja mein erstes Mal bei Olympia. Schon damals habe ich dieses Gänsehautfeeling genossen und jetzt wieder.
Wie haben Sie denn die Eröffnungsfeier erlebt? Dass die Reiter hier dabei sind ist ja auch nicht selbstverständlich…
Ingrid Klimke: Ins Stadion einzumarschieren ist ein unglaubliches Gefühl. Das ist Gänsehautfeeling pur. Vor der Eröffnungsfeier liegt natürlich langes Warten auf den Einlass. Man steht und wartet, dass der große Moment kommt. Aber das war auch keinesfalls langweilig, man unterhält sich, trifft interessante Leute. Gerade wenn man so neugierig ist, bringt das viele neue Erfahrungen. Da gehen die Stunden ganz schnell vorbei! Ich habe einfach alles genossen!
Und wie haben Sie das Zusammenleben im Olympischen Dorf erlebt?
Ingrid Klimke: Bei den meisten Spielen war das Olympische Dorf ja immer weit weg von uns Reitern… Am schlimmsten war das natürlich in Hongkong, wo wir überhaupt keine Chance hatten, nach Peking zu den eigentlichen Spielen zu kommen. Auch in Athen waren wir zu weit weg. In Sydney war es zwar auch eine ganz schöne Strecke, aber wir sind immer wieder in die Stadt reingefahren, um das Flair zu erleben. Hier in London war es natürlich toll, in der großen Mensa immer wieder Sportler aus allen Nationen und Sportarten zu treffen.
Haben Sie nach Ihren Wettkämpfen denn auch noch andere Sportstätten besucht?
Ingrid Klimke: Ja, wir konnten nach unserem Wettkampf Wünsche äußern, wo wir denn gern hin möchten. Wir sind dann überall hingegangen, wo etwas möglich war. Wir waren bei den Hockey-Herren, die dann ja auch Olympiasieger wurden. Dann waren wir noch beim Turmspringen, zwar nur in einem Vorkampf, aber schon allein die Atmosphäre in der Schwimmhalle war ein Erlebnis. Außerdem haben wir das Turnen besucht, den Vierkampf der Damen… Dort haben wir die Atmosphäre in der ausverkauften Halle genossen und die Siegerehrung miterlebt…
Auch Butts Abraxxas konnte in London sein zweites Gold „feiern“ – wie haben Sie den Wettkampf mit ihm dieses Mal im Vergleich zu Hongkong 2008 erlebt?
Ingrid Klimke: Hongkong war für uns Reiter vor allem amüsant. Wir standen da auf dem Podest ganz oben und es war fast exakt die gleiche Truppe wie damals in Athen. Und wir dachten alle daran zurück, dass wir damals auch ganz oben standen und als Olympiasieger fühlten und dann das Gold doch per Post einfach zurückschicken mussten. Das war ja damals unheimlich bitter, aber in Hongkong haben wir zusammen auf dem Podest darüber gelacht. Wir haben Witze gemacht, ob wir das Gold vielleicht wieder zurückschicken müssten. In London war es einfach nur sehr emotional, die Hymne zu hören ist jedes Mal aufs Neue ein tolles Gefühl…
Eine tolle Dressur, eine grandiose Runde im Gelände – ja, und auch ein durchaus für Butts Abraxxas sehr gutes Springen – berichten Sie uns ein wenig im Detail vom Wettkampf und Ihren Gefühlen dabei.
Ingrid Klimke: Die Dressur war in der Tat ganz toll! Ich konnte da einfach an irgendwas denken und er hat genau das gemacht. Ich konnte alles genießen! Er ist nun eben auch schon ein alter Hase und weiß genau, was man von ihm möchte. Das Gelände war unheimlich schwer und anspruchsvoll gestaltet. Vor allem die Zeit war sehr eng bemessen. Chris Bartle, unser Co-Bundestrainer, meinte zu mir, ich solle einfach Spaß haben. Und den hatten wir dann auch! Ich habe Braxxi einfach galoppieren lassen und er hat das absolut souverän gemacht. Er hat die Sprünge einfach von selbst gesucht. Das war einfach ein Highlight unserer Karriere zusammen und traumhaft schön! Ich war richtig gerührt! Er hat alles mit so viel Herz und so viel Vertrauen gemacht – das war sehr emotional!
Nach Dressur und Gelände dann die Führung inne zu haben war natürlich auch echt stark, ein tolles Gefühl. Aber ich wusste natürlich von Anfang an, dass noch das Springen folgen würde und dies seine Schwäche ist. Ich hatte nicht mit einer Nullrunde gerechnet. Ich weiß, dass Braxxi immer sein Bestes gibt, aber dass ein bis zwei Fehler einfach passieren können. Ich war also niemals geschockt, dass diese Fehler dann passierten, im Gegenteil mit seiner Leistung war ich super zufrieden.
Sie trafen die Entscheidung, Abraxxas nicht mehr im Einzelfinale zu reiten – und wollten Dirk Schrade damit den Vortritt lassen. Leider verhinderte dies eine Olympische Regel – wie sehen Sie diesen Fall, dass der eigentliche Olympische Gedanke von Fairness damit verhindert wurde und Dirk um seine Chance gebracht wurde, die ihm als dritten deutschen Reiter zweifelsohne gebührt hätte?
Ingrid Klimke: Die Entscheidung, nicht mehr im Einzel anzutreten, fiel mir nicht schwer. Wie schon gesagt, ich hatte mit den Fehlern gerechnet und so hatte ich schnell den Entschluss gefasst, dass hier für Braxxi Schluss sein sollte. Aber es war natürlich unheimlich schade für Dirk, dass das Reglement von Olympia seinen Start verhinderte. Das kann ich auch bis heute nicht verstehen – und steht leider auch dem Olympischen Geist entgegen. Kein anderer Sportler hatte einen Nachteil, es wären ja nach wie vor nur drei Deutsche an den Start gegangen – so war das absolut nicht nachvollziehbar.
Sie waren gemeinsam mit Ihrer Familie, mit Ihrer Mutter, Ihrem Ehemann und Ihrer Tochter Greta in London? Wie war es für Sie, Ihre ganze Familie dabei zu haben?
Ingrid Klimke: Das war einfach wunderschön, meine Familie dabei zu haben. Sie haben mich vor Ort unterstützt und mir natürlich eine ganz besondere innere Stärke verliehen. Ein ganz großer Dank gilt hier Madeleine Winter-Schulze, die es erst ermöglicht hat, dass meine Tochter Greta mit dabei sein durfte. Ohne meine Mäzenin hätte Greta nicht mitkommen können…
Man hörte, dass Sie dank Madeleine Winter-Schulze zu einer Akkreditierung als Pferdebesitzerin kam und so überall hin mitkommen konnte…
Ingrid Klimke: Das ist richtig, Madeleine Winter-Schulze hat ihre Akkreditierung als Pferdebesitzerin an meine Tochter weitergegeben. Das war unheimlich großzügig und eine ganz große Geste, da sie selbst ja dadurch nicht nach London reisen konnte und es ihr wichtiger war, dass mein Kind mich begleiten konnte…
Madeleine Winter-Schulze ist eine echte Pferdefrau, die ja nicht nur ihre Mäzenin ist, sondern auch die von etwa Ludger Beerbaum oder Isabell Werth. Wie würden Sie diese große Dame des Reitsports beschreiben?
Ingrid Klimke: Madeleine ist ein ganz besonderer Mensch. Sie hat damals Braxxi für mich gekauft, als er zum Verkauf stand und Angebote aus dem Ausland da waren. Ich habe dieses Pferd nun wie mein eigenes, sie lässt mir überall die freie Entscheidung, was sehr ungewöhnlich für Pferdebesitzer ist. Sie ist immer eine gute Ratgeberin, aber lässt ihren Reitern dennoch freie Hand. Sie ist wirklich eine unheimlich tolle Pferdefrau!
Sie sind nun doppelte Olympiasiegerin – gibt es da überhaupt noch Ziele? Könnten Sie sich auch einen Start in Rio 2016 noch vorstellen?
Ingrid Klimke: Aber natürlich kann ich mir das vorstellen – nach den Spielen ist vor den Spielen! Für dieses ganze Erlebnis Olympia lohnt es sich immer wieder hart zu arbeiten! Dorthin zu kommen ist ja nicht, als ob man ein Glückslos zieht, man muss die ganze Zeit über mit Leistung überzeugen! Aber für den großen Augenblick ist es das wert! Es ist ein großartiges Gefühl zu den Top-Sportlern von Deutschland zu gehören und für sein Land anzutreten beim größten Sportereignis der Welt. Aber natürlich bedeutet die Vorbereitung auf die erneute Teilnahme bei Olympia auch Einschränkungen. Man muss lernen, Prioritäten zu setzen. Man kann nicht ständig als Trainer unterwegs sein oder Seminare geben, man muss viel Zeit mit den Pferden verbringen und diese gezielt vorbereiten.
Haben Sie schon eine Idee, welches Ihrer jungen Pferde für Olympia 2016 in Frage kommen könnte? Oder ist es dafür noch zu früh?
Ingrid Klimke: Früh ist es schon noch, man kann noch keine konkreten Aussagen machen. Braxxi wird dann mit 19 Jahren natürlich schon zu alt sein für Olympia, das ist sicher. Momentan setze ich vor allem auf Tabasco, meinen zwölfjährigen Trakehner Wallach von Heraldik. Aber auch in Escada, eine erst achtjährige Stute habe ich große Hoffnungen.
Frau Klimke, wir danken Ihnen vielmals für das Interview.
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Schönes Interview. Ingrid Klimke ist eine tolle Reiterin mit einer verdienten Medaille. Macht immer wieder Spaß sie reiten zu sehen.