Zweimal Silber – Springreit-Team und Helen Langehanenberg
Gleich zweimal kurioses Silber bei der Europameisterschaft
Manche Entscheidungen bei großen Championaten sind in Sachen Spannung und kuriosen Ereignissen kaum zu überbieten – so gesehen am Donnertag und Freitag in Herning bei der Europameisterschaft 2013.
Springreiten – Mannschaft
Donnerstagabend waren die Springreiter mit ihrer Team-Entscheidung an der Reihe. Wer kein großer Optimist war, rechnete nicht mehr wirklich mit einer Medaille. Nach dem Zeitspringen und ersten Nationenpreis-Umlauf lag Deutschland schließlich auf dem vierten Rang. Man möchte meinen, da wäre ja durchaus noch Luft nach oben gewesen… Stimmt! Nur war es die Art und Weise, wie die Ritte der vergangenen Tage endeten.
Tag 1: vier deutsche Reiter, 3 davon mit einem Abwurf. Tag 2: vier deutsche Reiter, 2 davon mit einem Abwurf. Und Tag 3? An eine Steigerung hatten die Optimisten dann doch geglaubt. Sie sollten Recht behalten: Sowohl Daniel Deusser, als auch Christian Ahlmann konnten sich zunächst schadlos halten. Lediglich Carsten-Otto Nagel musste erneut einen Abwurf kassieren, der nicht notwendig gewesen war. Ein Zeitfehler kam hinzu. Die Folge: Nagel hat in der Einzelwertung als 25. keine echten Chancen mehr, wenn er auch noch am Finale am Samstag teilnehmen darf. Schade für das sympathische Paar Nagel und Corradina. Die 15-jährige Holsteiner Stute hat aber nach ihrer Zahn-OP im vergangenen Jahr immer noch nicht die Form gefunden, in der sie 2009 und 2011 bei den Europameisterschaften zu Silber im Einzel galoppierte.
Umso mehr in dieser Form scheinen jedoch Daniel Deusser, der Neuling im Team und sein 10-jähriger Westfalen-Wallach Cornet D´Amour zu sein. Nur 2,01 Strafpunkte haben die Beiden auf dem Konto, können also sogar noch eine Medaille holen. Deusser konnte mit drei Nullrunden voll und ganz überzeugen. Das gelang Christian Ahlmann nicht ganz so mit dem 11-jährigen Codex One. Allerdings kann er auf Rang 11 liegend immer noch Richtung Medaille im Einzel schnuppern.
Bei der Entscheidung, ob es nun eine Medaille für Deutschland geben würde oder nicht, spielte jedoch Schlussreiter Ludger Beerbaum mit seiner ebenfalls erst 10-jährigen Stute Chiara die entscheidende Rolle. Man hat gut daran getan, ihn an diese Startposition innerhalb der deutschen Mannschaft zu setzen. Mehr Erfahrung hat keiner und keiner des Teams hätte diese wie Ludger Beerbaum in der entscheidenden Situation so nutzen können. Minutiös ritt er seine hübsche Schimmelstute an jedes Hindernis und schaffte es dennoch, in der Zeit zu bleiben.
Die Fehler der vor ihnen liegenden anderen waren das Glück der Deutschen. Die Schweiz erlebte einen rabenschwarzen Tag. Am Vortag war es noch Silber, nun landeten sie auf Rang 5. Selbst Olympiasieger Steve Guerdat haderte mit einem Abwurf. Einzig Janika Sprunger und ihr Paloubet D´Halong, die Zweitplatzierte des Großen Preises von Aachen, konnte erneut mit nur einem Zeitfehler überzeugen. Auch Frankreich haderte mit seinem Schicksal. Von 3 auf 4 ging es abwärts. Dabei hatte noch am Vortag alles so gut ausgesehen…
Oben halten – und damit die Goldmedaille gewinnen – konnten die Briten. Nein, London 2012 war keine Eintagsfliege. Selbst ohne den Sieger von Aachen, Nick Skelton, kann ein solcher Sieg gelingen. In Führung im Einzel liegt nach wie vor Ben Maher mit seinem Shooting-Star Cella, Tochter des berühmten Cento, der einst unter Deutschlands Bundestrainer Otto Becker ging.
Gold für Großbritannien also, Silber für die überglücklichen Deutschen nach einem harten Kampf und Bronze ging nach Schweden – die ihr Glück kaum fassen konnten. Man gönnt es dem sympathischen Team um Rolf-Göran Bengtsson ganz besonders!
Dressur – Einzel
Während unsere Springreiter in der Nacht bestimmt die eine oder andere Feierrunde hinlegten – dafür sind sie ja bekannt – mussten die Dressur-Mädels gleich wieder morgens früh fit sein. Und doch konnte man sich an diesem Tag des Eindrucks nicht erwehren, dass die Medaillengewinner doch ein bisschen länger beim Feiern unterwegs waren. Zumindest waren solche Witzchen am Rande durchaus zu hören.
Aber was den drei Top-Dressur-Damen Charlotte Dujardin, Helen Langehanenberg und Adelinde Cornelissen passierte, war schon geschichtsträchtig.
Den Anfang machte Helen für Deutschland. Und es schien der perfekte Ritt zu werden. Damon Hill war noch etwas mehr bei seiner Reiterin als beim Top-Resultat am Donnerstag. Man konnte schon ein wenig Gold schimmern sehen und roch die Chance, dass es dieses Mal reichen sollte, Charlotte Dujardin auf Platz zwei zu verweisen. Es hagelte nur so Zehnen bis… ja, bis die Reiterin ihre Trabverstärkung lieber auf der Diagonalen, denn auf der langen Geraden zeigen wollte. Das klingelnde Glöckchen der Richter tat das Unheil kund: Verritten. Den meisten deutschen Dressur-Fans ist in diesem Moment sicherlich das Herz in die Hose gesackt und die Medaille, egal welcher Farbe, sollte einfach nur überhaupt noch leuchten an Helens Hals.
Dafür gab es Hoffnung, da sie trotz der zwei Punkte Abzug jedes Richters in Führung gehen konnte. In diesen Minuten schien die Stimmung im Stadion nicht mehr ganz so fröhlich zu sein, da eine Top-Reiterin möglicherweise sogar eine Medaille vergeben hatte. Ganz und gar ungläubig schauten die meisten dann aber drein, als Charlotte Dujardin, die britische Top-Favoritin, es ihrer Konkurrentin offenbar gleichtun wollte. Sie meinte Zweierwechsel anstatt Galopptraversalen reiten zu müssen. Ansonsten jedoch schien Valegro noch ein wenig mehr Höhepunkte zu haben. Vielleicht spielte auch ein wenig mit hinein, dass Charlotte es schaffte, eine noch deutlich länger andauernde Prüfung als Helen nach dem Fauxpas konzentriert zu Ende zu bringen. Wer weiß… Jedenfalls reichte es zur Führung: 85.699 % Dujardin, 84.330 % Langehanenberg.
Wer die beiden aber hätte locker noch schlagen können, war die niederländische Top-Reiterin Adelinde Cornelissen mit ihrem erfahrenen Parzival. Hätte sie können… hätte sie nicht ebenfalls lieber Zweierwechsel geritten denn Galopptraversalen. Diesmal kamen langsam auch ein paar Lacher aus dem Publikum. Die Situation war einfach zu paradox. Die Top-Drei der Welt hatten allesamt Spaß am Verreiten gefunden…
Da Adelinde mit ihrem Wallach jedoch nicht ganz an die Höhepunkte der beiden anderen herankam, musste sie sich am Ende mit Bronze zufrieden geben. Noch bei der Siegerehrung schienen alle drei sich über ihr kollektives Missgeschick zu amüsieren, während Gold-Wallach Valegro nur Augen für den Blumenstrauß seiner Reiterin hatte.
Ganz erstaunlich übrigens, dass die drei trotz des doch immensen Punkteverlust so deutlich über der Konkurrenz thronten. Sehr nah ran an deren Ergebnisse kam mit knapp 80 % übrigens Kristina Sprehe als Fünfte und zweitbeste Deutsche. Sie konnte die Fehler vom Vortag vergessen machen. Einfach perfekt war ihr Desperados dieses Mal. Es sind einfach noch ein paar Feinheiten, die sie verbessern muss, dann reicht es auch einmal zur Medaille. Weit entfernt ist sie davon nicht mehr! Auch der Viertplatzierte Edward Gal aus den Niederlanden scheint gute Arbeit mit Undercover zu leisten, den er ja erst seit vergangenem Jahr unter dem Sattel hat. Knapp vor Kristina reihte er sich ein, mit deutlichen Abzügen, weil der Hengst gleich bei der Grußaufstellung am Anfang keine Anstalten machte, stillzustehen.
Eine dürfte sich ebenfalls besonders gefreut haben: Fabienne Lütkemeier, das Küken in der Mannschaft. Sie hatte wohl kaum damit gerechnet, am Sonntag die Kür vor ausverkauftem Haus reiten zu dürfen. Doch eine fehlerfreie, schön anzusehende Leistung von über 75 % ließ sie in den erlauchten Kreis der Kürreiter eintreten. So wünscht man sich EM-Debüts! Das Nachsehen hatte Isabell Werth, die am Sonntag zusehen wird, da ihr Don Johnson sich heute wieder einmal von seiner „Rodeo-Seite“ zeigte. Hatte er schon lange nicht mehr… aber so ist das Leben. Des einen Freud, des anderen Leid. Isabell wird sich mit Mannschaftsgold sicher trösten können.
Somit das Endergebnis der Europameisterschaften: Gold für Charlotte Dujardin, Silber für Helen Langehanenberg und Bronze für Adelinde Cornelissen.
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